Projekt Nr. 20
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Der Zeichnungsgenerator – Gespräch: Armin Chodzinski / H. Kater
Gespräch am 12.12.2001, Hamburg
Teil  1  2  3  4  5
Material:
- Ausstellungskonzept
- Rundgang durch die Ausstellung
- Die Räume von Hannes Kater
Gespräche zur Ausstellung:
Bjørn Melhus (2. Künstler)
Diana Dietz (Assistenz)
Silke Boerma (Kuratorin)
Armin Chozinski (Helfer)
Gabriele Mackert (Autorin)
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Start Kater: Die Ausstellung, über die ich mit dir sprechen will, ist jetzt ja schon eine ganze Zeit her und um heute einen Einstieg ins Gespräch zu finden, habe ich mir überlegt, ob ich mir was überlege, ob ich irgendwas vorgebe oder... und habe so zwei, drei Ideen gehabt, die ich…

Chodzinski: Läuft das jetzt schon?

Kater: Es läuft schon, jaja. Habe also zwei, drei Ideen gehabt, irgendwelche Zeitungsartikel, die ich wo gelesen und dabei gedacht hatte, hey, da ist doch irgendwas drin, womit ich gerne arbeiten möchte. Die Artikel habe ich dann beiseite gelegt und mich nicht weiter darum gekümmert. Eigentlich hatte ich vor, das was mich da interessierte rauszufiltern, auf den Punkt zu bringen, bin aber nicht mehr dazu gekommen. Die Texte habe ich dann hierher mitgenommen und dann aber gestern, nach dem Gespräch mit Diana, zum einen das Gefühl gehabt, das sie als Einstieg gar nicht mehr nötig sind – und zum anderen habe ich heute morgen die Artikel dann nochmal gelesen und festgestellt, dass das, was ich darin wahrgenommen hatte, eigentlich gar nicht drin steht. (Das geht mir übrigens öfter so – aber das gehört nicht hier her... )
   Und so habe ich mir heute für den Start drei Fragen überlegt… Also, als erste Frage: wie war die reale Situation... du warst ja da, wir haben da zusammen was gemacht, das ist ja eine ganz reale Geschichte – dass man das erinnert, rekapituliert.

Chodzinski: Wie, was ich da gemacht habe oder wie ich das empfunden habe, was da passiert ist?

Kater: Na beides. Das zweite Frage kreist um das, was gestern mit Diana ganz groß Thema war, nämlich, was ich so deutlich bis dahin auch nicht formuliert hatte, dass, obwohl die Ausstellung „Der Zeichnungsgenerator“ hieß, es eigentlich gar nicht wirklich um Zeichnung ging, sondern viel mehr um die Abwesenheit vom Zeichnung. Außerdem hatten viele Entscheidungen, die während des Aufbaus getroffen wurden und die dann die ganze Ausstellung bestimmten, nichts mit dem Thema Zeichnung, bzw. dem Zeichnen, zu tun. Ich habe da, als etwas hinkenden Vergleich, den Bildaufbau im Manierismus vor Augen: da gibt es oft die leere Mitte als Kompositionsprinzip. Und für mich hat die Ausstellung viel mit einer leeren Mitte zu tun, mit positiven und negativen Aspekten. Das sozusagen als zweites Thema.
   Und die dritte Frage, das hat dann ein bißchen was meinem Blick auf deine Arbeit jetzt da bei dieser Hamburg-Geschichte, dem Hamburg-Stipendium, zu tun, ist die Frage mit der "Setzung". Und dass das, was du, so erinnere ich mich, als Absaufen beschreibst, dieses "zu viel tun und nicht vertrauen, dass es trägt und damit alles wieder verderben", dass ich das einerseits gut nachvollziehen kann und andererseits ich aber denke, dass ich mit "Setzung" anders umgehe, darunter etwas anderes verstehe. In Hannover gab es in meinen Augen Setzungen hauptsächlich deshalb, um auf sie reagieren zu können... also ein Wachsen möglich zu machen, ein sehr vorsichtiges Wachsen. Das für mich ein ganz großes Glück... und ein großes Leiden natürlich auch, aber das sind Momente, wo ich sehr lebe, die, wenn ich denn bis dahin komme, mir also nichts dazwischen kommt, sehr viel bedeuten. Und da würde ich mich, ohne das jetzt genauer, präziser fassen zu können, auch gerne mit dir drüber unterhalten. Und dann gibt es bestimmt noch ganz viele andere Fragen... aber das so als Einstieg, wenn das nicht schon zu viel ist jetzt... Du kannst dir aussuchen, was dich am meisten interessiert.

Chodzinski: Am sinnvollsten ist ja, die Fragen auch in so einer Chronologie zu beantworten, d.h. im Endeffekt zu sagen, was ist da passiert und was ist da quasi auffällig gewesen an dieser… oder bzw. was ist da eigentlich passiert während des Aufbaus.


Nun denn... Kater: Du warst zweimal da, oder?

Chodzinski: Mhm, ich war zweimal da, zwei Wochenenden.
So – da gibt es einmal jetzt so einen persönlichen Aspekt des Handelns mit da drin, über den man reden kann, aber den ich persönlich gar nicht so spannend finde. Spannender ist eher die Rolle, die ich als dann letzten Endes dreimal dagewesener Rezipient habe, weil ich am Anfang da war, in der Mitte da war und zur Eröffnung wieder da war und einfach der Meinung bin, dass du quasi mit der Auffassung, mit der du da rangehst, also auch mit dem Verlieren, es so eine Ambivalenz in der Beurteilung gibt und zwar, dass ich das Gefühl habe, dass es total idiotisch ist, gewesen ist, so eine Ausstellung zu machen. Weil für mich das, was du da gearbeitet hast oder auch wie du daran gearbeitet hast, eigentlich nichts mit einer Ausstellung zu tun hat, die irgendwie was zu sagen hat, also die eine Botschaft oder so was vermittelt und das innerhalb von zwei Wochen oder drei Wochen, fast drei Wochen Aufbau auf einen Punkt bringt, der vermittelbar wäre.

Kater: Das musst du dann noch ein bißchen näher erklären.

Chodzinski: Ja. Also die Arbeitsauffassung, die da drinsteckte und die mich fast so ein bißchen neidisch auch werden ließ, die ich jetzt auch analog dazu bei Xyz auch wieder gesehen habe, ist diese Funktion, zu sagen, dass es dort was gibt, was man tun will, dass es ein bestimmtes Pattern gibt, was man an Material zur Verfügung hat und was man schon immer gedanklich auf so einen Raum projiziert, das spielt dann eine Rolle wie viel Pattern man mitnimmt und dann in dem Raum eigentlich versucht, so eine Anordnung oder eine Logik oder eine Satzbildung zu machen, aus diesen vorhandenen Sachen, die da sind. Um dann in der Arbeit damit da dann festzustellen, wo muss eine Brücke hin, wo ist eine Leerstelle, wo noch was reinmuss, also sich das so zu entwickeln.
   Dass bei dir in der Arbeitsweise so eine merkwürdige Ambivalenz ist, auf der einen Seite in der Lage zu sein, das dialogisch aufzubauen, also zu sagen, ich setze das und ich hole mir jetzt Leute dazu, die da mit draufkucken, die quasi meine Betonwand sind, gegen die ich das spiele, was ich da…

Kater: Würde ich so nie sehen, aber okay.

Chodzinski: ... also die quasi meine Wand sind gegen die ich das spiele und die haben entweder, wenn es gut läuft ist Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel, aber meistens ist es eben nicht so, sondern es kommt dann zu unterschiedlichen Wegen, die sich dann ergeben und zum Teil halt auch so einen Sprung machen zu was hin, was dann wieder auf einen anderen Pfad führt. Das ist so eine klassische Projektierung von künstlerischem Entwicklungsvorhaben oder Forschungsarbeit. Deshalb auch diese – so um das so ein bißchen abzukürzen, dann kann man lieber vielleicht strukturell, dann hast du die Möglichkeit dann dazwischenzufragen – deshalb denke ich, dass dieses Ausstellung in dem Stand dann überhaupt keinen Sinn gemacht hat, weil dieser Punkt von deiner Arbeitsweise viel mehr, für mich viel mehr positionierbar wäre bei sowas wie eine Ausmalung einer Kapelle oder eines Kirchenortes, einer Geschichtserzählung, die über, also so ähnlich wie Giotto, irgendwie so ein Entwicklungsvorhaben ist, wo man reingeht in einen Raum, quasi einen Auftrag bekommt, eine Geschichte zu erzählen und dann halt mit unterschiedlichsten ausführenden Organen zusammenarbeitet und dann aber auch einen Entwicklungszeitraum von ein bis zwei Jahren hat, um dann quasi eine Formulierung zu finden, die irgendwie eine Auratisierung oder eine inhaltliche Kopplung oder so wirklich zu so einem Punkt bringt und entwickelt.
   Und so habe ich halt sehr deine Arbeitsweise da empfunden, die für mich nicht richtig was damit zu tun hatte, zu sagen, da ist jetzt eine Ausstellung und die mache ich jetzt und dann wird die gut, so, und ich bringe da was auf den Punkt, sondern eher eigentlich das geprägt war von dem Leiden, dass es nicht darum geht da ein, zwei Jahre an der Ausmalung des Hannoveraner Kunstvereins zu sein und das zu einem Ort zu definieren von so was wie persönlicher oder allgemeiner Mythologie oder Weltbild.

Kater: Mhm. Also da hatte ich gar nicht das Gefühl, dass ich unter diesem Aspekt leide, aber gut!

Chodzinski: Also das kam mir so vor, weil es total eben auch diese Bremsungen gab, weil es ja zum Teil eben klar war, dass es gewisse Bedingungen gab, wo du einen Freiraum brauchst, wo du dann sagst, da muss ich jetzt einfach für mich selber dran arbeiten, dann aber auch das für dich viel zu wichtig war, dass muss da jetzt gerade ein, respektive dann Diana, zwei – wobei Diana ja auch eine wichtigere Position dann in dem Moment hatte – eigentlich dieses Dialogische viel spannender war. Und eigentlich dann eher in so einem merkwürdigen… Zwist – kam das zumindest für mich rüber – zu sagen, auf der einen Seite das auch wirklich jetzt im Gespräch durcharbeiten, was auch zum Teil einfach nur Geschnatter sein kann oder auf ganz anderen Feldern spielen kann, und auf der anderen Seite aber diese Zielorientierung, zu sagen, da gibt es eine Eröffnung und bis dahin muss was fertig sein, das schon dann für das Gesamte produktiv wirkte, aber grundsätzlich hatte ich eigentlich das Gefühl, dass es prinzipiell eigentlich deiner Arbeitsweise für da widerspricht. Das so als ein Aspekt.

Kater: Ja, aber ich meine, also ich glaube, ich habe beide Arbeitsweisen, also meine kuratorischen Versuche funktionieren ja ähnlich, da „B to A“, also das ist ja praktisch dasselbe Prinzip, also ich habe da mich ja auch sozusagen selber kuratiert auf eine Art, kuratieren kann man das ja nicht nennen, aber es hat so Management-Geschichten oder ich nenne das auch einfach, also einer muss das aushalten und verantworten und in dem Fall war ich das und das ist, glaube ich, das kann man gut und das kann man schlecht machen. Also das ist auch wie ein Teamleiter von irgendeiner Firma, einer Projektgruppe, die irgendwas entwickelt, da muss auch einer aushalten, dass es Abschweifungen gibt und kucken, ob das produktiv wird und muss halt rechtzeitig stoppen, darf das nicht zu früh und nicht zu spät machen, Termine müssen gehalten werden und so. Das ist eine sehr spannende Position, ich finde die eigentlich… also es ist eine sehr schöne Position.
   Was mich dann eher umtreibt, ist dann natürlich die Frage, wer macht da eigentlich die Kunst. Wäre das mit einer Filmproduktion vergleichbar – nachher ist es der Regisseur, der dann groß auf dem Plakat steht... und der Beleuchter, der vielleicht sich eingebracht hat mit einer guten Idee, die den Regisseur dann dazu bewogen hat, alles ganz anders zu machen, der wird nicht erwähnt.

Chodzinski: Ja klar, aber das ist jetzt so ein Punkt, wo ich denke, dass das… also diese Frage von so offener Autorenschaft, ich glaube, das ist zu weit. Nee, das stimmt nicht, dafür gehst du da lange nicht weit genug, als dass das sich auflösen würde.

Kater: Nein, das behaupte ich auch nicht. Aber das ist was, was mich dann ein Stück weit bewegt und was ich aber okay finde und was ich eigentlich sehr erstrebenswert finde, also in diesem Level, also wo das halt nicht sich zersetzt oder auflöst. Und wo ich auch denke, dass ich das anderen anbieten kann, andersrum...
   Wie sind wir jetzt da drauf gekommen? Ach... das mit dem Leiden. Dazu kann ich sagen, das es mir generell nicht so gut ging, seit ich aus New York zurück gekommen war. Ich kam nicht so recht in Tritt...

Chodzinski: Ja, wobei ich da aber auch denke, dass das ja auch eine Systematik hat. Also ich habe noch nie eine Ausstellung erlebt, bei der ich mit dir zusammen war oder wo ich zusammen mit dir gearbeitet habe, die nicht davon geprägt war, dass du im Vorfeld so Sätze gesagt hast wie „das habe ich nicht richtig geschafft“ oder „ich kann nicht“ oder „ich habe das nicht fertig gekriegt“ oder „ich konnte nicht“. Das ist ja eher…

Kater: ... Standard sozusagen.

Chodzinski: Das würde ich sagen, Ja. Da muss man dann eher überlegen, was das eigentlich ist. Also es gibt, glaube ich, die Situation, die quasi die Sehnsucht, die da drin formuliert wird, dass man jetzt mal was macht, was richtig vorbereitet ist, die ist ja faktisch gar nicht da, sondern das Problem ist ja eher, dass deine Arbeitsweise augenscheinlich dem so zuwiderläuft, dass es dann schon um die Idee geht, die aber eigentlich real nichts mit dir zu tun hat, sondern die sich eigentlich eher, wenn man es dann rauszieht, eher was damit zu tun hat, dass die Ausstellungstätigkeit ein Problem ist.

Kater: Mehr oder weniger ja, mhm. Aber okay, du hast angefangen von wegen diese Ausstellung mache eigentlich keinen Sinn.

Chodzinski: Ja. Da ich mich frage, was sie soll. Vielleicht noch so ein Aspekt, der mir da nochmals deutlicher wurde als in anderen Ausstellungen ist diese unglaubliche Affinität zu Minimal, Minimal also als Idee von Raumkonzept und nicht unbedingt als Idee von Mitteilung im Vordergründigen, sondern wirklich als Haltung. So, und da ist die Frage – da habe ich natürlich dann auch eine leicht andere Position zu – da ist halt die Frage, was das soll, also was das in der Ausstellung eigentlich soll, warum eigentlich, was die Botschaft da ist. Und da kommt man nämlich genau dann wieder darum auf diese Idee von, was da steht, „Zeichnungsgenerator“. Also man kommt in einen Raum, also in den großen Raum, und der Raum ist kathedralenhaft, er ist inszeniert mit einer unglaublichen – es mag jetzt überinterpretiert sein – dieser Raum hatte auch mit seiner Konche, quasi dieser Raum, wo diese weißen, quasi diese Nichtbilder waren, so eine ganz ganz stark christliche Tradition, also so eine ganz stark klerikale Idee von so einem Raum, der quasi…

Kater: Ich würde das anders formulieren, ich würde denken, dass die Christen oder christliche Architektur ähnliche Raumkonzepte gehabt hat, um was zu erreichen. Also das ist ein Raumbewusstsein, was die Christen gehabt haben und benutzt haben.

Chodzinski: Ja wie heißt denn noch dieser… in katholischen Kirchen gibt es doch auch diesen Raum, wo immer der…

Kater: Eine Abtei?

Chodzinski: Nee, so ein Raum wo dann eine Leiche meistens liegt.

Kater: Krypta.

Chodzinski: Krypta, genau.

Kater: Die ist aber meistens irgendwie drunter, unter dem Altar, man geht so ein Treppchen runter…

Chodzinski: Genau. Und das inszeniert sich halt so auch als Ort von Andacht und hat eine gewisse Länge, hat eine gewisse Idee, die mich dann eher an sowas erinnert, die dann eher so eine Analogie hat, wo ich denke, ja vielleicht funktioniert so eine Arbeit wirklich nur in so einer Idee wie der Beuys-Block in Darmstadt, also die dann da ist, sich auch zu Lebzeiten immer wieder verändert und dann irgendwann an einem Stand, der rein physisch beendet wird, durch das Ableben beendet wird, dann halt Zeit hat, zu wirken. Und dann ein Ort ist, der, wenn er einen irgendwie trifft, dazu in der Lage ist, dass man ihn sich mehrfach ankuckt und einfach so eine Mischung einfach aus Ort der Kontemplation oder Ort zum Energieschöpfen und so ist.

Kater: Kann man da so einen Gegensatz Kontemplation-Agitation aufmachen? Und du begreifst dich eher agitativ oder wie? Irgendwie kommst du doch gerade zu einem Bildglauben zurück und einer Bildbescheidenheit, habe ich den Eindruck.

Chodzinski: Ja.

Kater: Ist das nicht auch dann kontemplativ ein Stück weit?

Chodzinski: Ja. Wobei ich das aber mittlerweile trennen würde. Also für mich trenne. Ich glaube mittlerweile nicht mehr… und das ist vielleicht auch anachronistisch, sich da weiter immer wieder als zweihundertste Generation oder als was weiß ich fünfzigste Generation sich wieder an dem Begriff Kunst aufzuhängen, aber ich trenne das. Oder mein Ideal wäre, das eigentlich zu trennen. Dass es auf der einen Seite eine Bildproduktion gibt, die Bild meint, auch im Sinne von Kulturproduzent…

Kater: Mhm. Wobei ich das unscharf finde. Ich glaube, Bild und Kultur ist nochmal was anderes.

Chodzinski: Ja, klar. Aber ich meine mit „Bildproduzent im Sinne von Kulturproduzent“ im Sinne von Kulturproduzenten, die in einer breiten Klaviatur sind. Wie z.B. dass ich sagen würde, eine Ebene ist, verantwortungsvolle Bilder zu machen, Bilder zu verantworten, besser. Würde ich dann auf so einer ähnlichen Kulturproduzentenebene sehen wie Musik zu verantworten oder Theater zu verantworten oder ein Hörspiel zu verantworten. Das meine ich mit Kultur, weil das sind dann kulturelle Werte, die auch eine bestimmte gesellschaftliche Funktion haben und in der sie auch agieren können. Und da gehört für mich bei Bild dann… mittlerweile komme ich immer mehr dahin, dass für das Bild dann letztendlich auch eine gewisse Bescheidenheit eine große Rolle spielt. Weil das Agitatorische an so einer Kulturproduktion dann ein Feld hat wie Musik oder ein Feld hat wie Theater wo da viel möglicher ist. Gerade bei Musik, wo es ein anderes dialogisches Prinzip gibt, dass es das Publikum, dass es so eine zeitliche 1:1 Beziehung gibt, d.h. Musik passiert, wenn Publikum da ist, so. Und da dauert ein Stück fünf Minuten und während diesen fünf Minuten ist das zu erleben, das ist beim Bild was anderes. Deshalb kann man eigentlich ein Bild nicht damit überfrachten, indem man es so aufbaut, als hätte es eine klare Rezeptionszeit, das führt zu so was wie Kontemplation letzten Endes. Und Kunst würde ich davon trennen wollen.

Kater: Was ist das dann?

Chodzinski: Da bin ich ja im Moment so ein bißchen dabei, so quasi die Frage zu klären, was ist denn eigentlich Kunst, also woher kommt denn das eigentlich. Wenn man sich überlegt, dass der Begriff Kunst erstmal zumindest überhaupt nichts mit so einer Bildproduktion zu tun hatte, sondern das ein künstlerischer Begriff eigentlich diesen Lehrkanon meinte von Rhetorik, Physik, Mathematik, also eine relativ klare Bezeichnung für ein Studium war, also für eine Ausbildung war, wo das einzige, was heute noch auch unter Kunst formiert, was dabei war, Musik war, und dass sich ein ars liberalis Gedanke… also diese Entkopplung von Bildproduktion als so ein freies Meinungsinstrument eigentlich erst dann einstellen konnte, als es eine Argumentationshilfe gab darüber, zu sagen, dass Renaissance-Bilder mathematische Problematiken mit klären können, also d.h. einen wissenschaftlichen Aspekt mit in sich tragen. Dass ab dem Zeitpunkt eigentlich noch eine Argumentationshilfe gebracht wurde, die auch gesellschaftlich akzeptiert wurde, so eine Freiheit zu behaupten.
   Ich ziehe mich da mal lieber ganz zurück, weil man dann über das Problem an sich diskutieren kann und nicht über, ob man jetzt [Pierre] Bourdieu rezipiert oder [Jacques] Lacan. Es gibt ja in den platonischen Dialogen des Symposions so eine platonische Definition von dem, was Kunst ist. Und Kunst wird dort von Platon so begriffen, dass Kunst quasi die Betrachtung auf Gesellschaft ist, die quasi mit verantwortlich ist dafür, zu zeigen welche evolutionären Bedingungen es in einer Gesellschaft gibt, damit man zu einer perfekten, zu der vollkommenen Gesellschaft kommt und dass sich an dem Punkt, wo sich eine vollkommene Gesellschaft einstellt, Kunst als solches aufhört, zu existieren, weil der Hauptaspekt der Kunst eben ist, auf die Unvollkommenheit von Gesellschaft hinzuweisen. Und da würde ich für mich die Trennung machen.
Also für mich ist das ein entscheidender Aspekt, den ich unter Kunst firmiere, der aber im 21. Jahrhundert nicht mehr maßgeblich was mit Bildproduktion zu tun haben muss. Oder dass -was ich eben vorhin versucht habe, zu definieren-ich eben sage, es gibt auf der einen Seite die Ausnahmesetzung mit Kunst, die ganz viele, alle Mittel zur Verfügung hat und es gibt diese kulturellen Produzenten, die im Endeffekt Kulturgüter produzieren. Beide haben ihre Berechtigung und beide sind auch wichtig, aber deshalb ist eben diese Frage von dem was du sagst, dass mich eigentlich eher so diese Agitation interessiert, ist dann eigentlich eher so, dass ich jetzt anfange, für mich zu sortieren und zu sagen, dass die agitatorische Sehnsucht, dass das eine protestantische Omnipotenz-Vorstellung ist, nee das meine ich todernst, dass das wirklich eine ganz protestantische Haltung ist, man könnte in ein Ding alles reinpacken.

Kater: Jaah, das ist noch nicht mal protestantisch, das ist einfach Hirn-Fick. Das ist einfach kulturelles Missverständnis.

Chodzinski: Ja. Ja. Das ist eher schon Renaissance-Idee als…

Kater: Naja gut. Aber Renaissance ist ja eigentlich auch ein Gesamtkonzept, ist ja nicht ein Bild, sondern war Raum, Architektur, Musik…

Chodzinski: Wobei da ja immer auch die Idee war, dass ein Bild alles trägt.

Kater: Weiß ich jetzt nicht, glaube ich nicht.

Chodzinski: Ja, doch. Schon.

Kater: Dass ein Bild alles abbildet, als modellhaft vorführt, aber dass es das real trägt glaube ich nicht. Es ist eher noch so eine alchemistische Tradition…

Chodzinski: Die in den Pyramiden auch drin ist, meinst du die…

Kater: Buh, ja, aber man kann ein Buch schreiben und man kann ein Bild malen und in dem Buch steht was drin und in dem Bild ist was abgebildet, aber das ist sozusagen nicht 1:1 repräsentiert, sondern es verweist auf was. Und das kulturelle Missverständnis ist ja, dass, selbst wenn man das so akzeptiert, aber dieses 1:1, dieses live-Erlebnis sozusagen, ich kucke und bin direkt überwältigt, also dieser emotionale Zugang, der findet da ja nicht statt. Sondern du musst es wissen, musst es lesen, entschlüsseln. Und dann, ich meine, ein Buch kann dich auch total bewegen und trotzdem gibt es action-painting oder sowas.

Chodzinski: Ja.

Kater: Naja gut, aber zurück zu dem… Würdest du denn sagen, dass das, was da in Hannover stattgefunden hat, war denn das ein Bild oder ging es da um Bildproduktion?

Chodzinski: An welchem Punkt?

Kater: Ich meine, du hast irgendwas von einer vom Minimal stark beeinflussten Raumkonzeption gesprochen. Ist das bildhaft für dich? Oder ist das so eine Bildproduktion oder was wird da produziert? Oder wird da Emotion produziert oder gerade Abwesenheit von Emotion zelebriert?

Chodzinski: Nee, da wird Emotion… nee, weiß nicht…

Kater: Geht es da um so was 1:1-haftes? Also Minimal ist sozusagen die Annäherung und das komplette Scheitern dieses 1:1-Aspektes.

Chodzinski: Ja, die Frage ist doch aber eigentlich schon damit beantwortet, dass ich die ganze Zeit von dieser kathedralen Assoziation nicht runterkomme. Die natürlich genau dieses Bildhafte hat, aber auch diese 1:1 Position hat. In der Wahrnehmung. Da geht es um eine unterschiedliche zeitliche Struktur, die unterschiedliche Aspekte möglich machen könnte. In der Kürze so einer Zeit geht es im Endeffekt für mich um so ein Raumkonzept, was 1:1 funktioniert.

Kater: Aber eine Kathedrale begreift man ja nicht. Zwingend. Sondern also eine Überwältigungsstrategie ist das nicht unbedingt, aber es gibt ja so ein Bild verstehen oder ein Bild lesen können, eine Kathedrale kann man ja nicht lesen in dem Sinne, du wirst nur beeindruckt.

Chodzinski: Naja, das hängt ja nur davon ab, dass wir nun gerade zu einer Gruppe von Menschen gehören, die nicht jede Woche in eine Kirche gehen.

Kater: Aber selbst wenn du… aber du könntest nur Details entziffern, aber es gibt dann ja immer noch den Gesamt-Wumm.

Chodzinski: Ja der Gesamt-Wumm ist ja quasi das, was dich anrührt, was dich dazu anrührt, dass du da häufiger hingehst. Und dass du Zeit verbringst, Details zu sehen. Ohne die Vorstellung zu haben, dass du das Ganze sehen kannst.

Kater: Und ist das ein Bild oder was ist das? Gesamt-Wumm ist natürlich ein etwas komischer Begriff, aber was ist das? Und hat das was mit Minimal zu tun?

Chodzinski: Hm. Also das ist schwierig unter welchen Aspekten man da raufkuckt. Erstmal würde ich sagen, das hat viel weniger was mit Bild als mit Religion zu tun. Es hat was mit Minimal zu tun auf der Grundlage, dass es einen Raum gibt, eine Raumkonzeption gibt, die den Aspekt des ergriffen und gleichsam auf sich zurückgeworfen in sich trägt und dann konterkariert sich das aber dadurch, dass es natürlich noch ganz viel dann –was man im ersten step gar nicht wahrnimmt, würde ich mal behaupten- dass es da noch diese Zeichnungen gibt, die das wiederum konterkarieren, weil da natürlich ein ganz anderer Weg wegführt aus diesem ganzen Selbstbezüglichen des Betrachters.
Ich habe da Problem mit dem Begriff vom Bild.

Kater: Ja, ich habe jetzt gerade als Stichwort aufgeschrieben: Verweigerung. Also Bildverweigerung. Ich meine, das war ja das andere, was ich die leere Mitte genannt habe. Ich meine, das ist ja ein religiöses Thema. Wo ich dann auch wieder mit Huber wieder was zu tun habe.

Chodzinski: Ja.

Kater: Ich sehe jetzt hier, wo ich jetzt hier so gerade sitze und mit dir spreche, sehe ich das das erste Mal ganz konkret positiv! Das ist nämlich strategisch, also wenn man einfach wirkungstechnisch nachdenkt, dass Bild nicht das Erste sein kann. Weil der Wumm kommt nicht vom Bild. Das Bild ist Detail. Du bist irgendwie bewegt, gefangen, beeindruckt aus irgendeinem Grund, emotional hat es dich – das hat mit Architektur, mit Raum zu tun – und dann fängst du an ein Bild zu kucken überhaupt erst. Oder ein Detail zu sehen.

Chodzinski: Ja, aber es ist aber die Frage, was das Bild jetzt ist.

Kater: Und das Bild ist dann mehr Zeichen, das Bild ist dann nur noch Erläuterung oder Fußnote, das ist jetzt sehr ins Unreine gesprochen, aber die Wirkungsmacht geht nicht vom Bild aus.

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