Projekt Nr. 20
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Der Zeichnungsgenerator – Gespräch: Diana Dietz / Hannes Kater
Teil 5
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Material:
- Ausstellungskonzept
- Rundgang durch die Ausstellung
- Die Räume von Hannes Kater
Gespräche zur Ausstellung:
Bjørn Melhus (2. Künstler)
Diana Dietz (Assistenz)
Silke Boerma (Kuratorin)
Armin Chozinski (Helfer)
Gabriele Mackert (Autorin)
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Neues auspro-
bieren trotz
Zeitnot
H: Für mich war dann nur wichtig, dass ich verschiedene Sachen ausprobiere – eben diese Setzungen mit den Löchern und den langen Blechprofilen. Und da habe ich ja auch lange, also nicht gebrütet, aber das habe ich schon ein Stück weit rausgezögert und brauchte dann auch immer so ein Anlauf, um das zu machen. Und das war dann auch richtig. Ich habe dann ja wirklich mir auch den Luxus geleistet, auch mal nur zwei oder drei Stunden nur zu kucken und dann zu sagen, okay, da mache ich das Ding hin. Also halt gar nicht fließend, sondern eher grübelnd und Entscheidungen machend. Ich meine, das hat auch noch mal Zeit gekostet. Aber das war dann auch richtig. Nicht den Raum zuzutackern mit Zeichnungen, oder irgendwie mit irgendwelchen Verdichtungen eine Balance anzustreben und so eine handwerkliche Brillanz? Mir war einfach wichtiger, sich dazu durchzuringen, bestimmte Setzungen zu machen. Die für den Betrachter nicht unbedingt das Beeindruckendste sind, sondern die sind einfach für mich, so nach dem Motto: habe ich noch nie gemacht, hier gibt es die Möglichkeit, das auszuprobieren, auch wenn es nur ganz kleine Schritte sind, aber da bin ich ja sehr langsam.
D: Das war auch das, was ich am Anfang, als ich ankam, eben gleich alles auch mitbekommen habe. Wieviel Neues da auch drinsteckt und dass sich dein Focus auch noch mal total verändert hat. Wo ich vielleicht auch immer erst mal Schwierigkeiten hatte oder dagegenhalten wollte, aus so einem merkwürdigen Assistenverständnis heraus?
H: Schuster, bleib` bei deinen Leisten!, oder wie?
D: (lacht) Ja, so ungefähr. Aber letztendlich dann auch wieder nicht. Das war mir schon auch eingängig. Das hat man ja schon auch gemerkt, wo ich dann schon auch ab und zu gedacht habe, ja, Hannes, kann man sich jetzt noch fragen, ob man dieses Loch da noch so macht, und das hast du ja so auch noch nie gemacht, und da war ja diese Möglichkeit, aber wo ich dann doch immer, also es flackerte bei mir dann doch immer stärker auf als bei dir, daß ich gedacht habe: trotzdem, Hannes, mal` doch da jetzt mal was hin! (H lacht)
Und das fiel halt sehr weg. Vielleicht ist das auch wieder mein Thema, was du gerade angesprochen hast, wenn man das alles so sehr imaginiert, bis dann nichts mehr stattfindet, das ist ja für mich schon eine ganz große Bedrohung…
H: Eine Angst, die du hast…
D: Ja, war bei dir jetzt nicht so, daß ich das als Angst, nicht wirklich als Gefahr gesehen habe, von wegen dann scheitert hier was, das habe ich so stark auch nicht wahrgenommen, aber ich war doch manchmal so ein bißchen unwillig, so von wegen: muß ja nicht sein. (lacht) Kann man doch zeigen! Weil ich ja doch sehr auf diesem Trip bin: erst mal das zeigen. Daß erst mal was zu sehen ist. Nicht von wegen zumachen, auch wieder aus einer anderen Angst heraus, sondern nicht so viele wichtige Schritte immer wieder einholen durch einen neuen, sondern erst mal wieder sagen, was ist.


Abstrakter
Expressionismus
H: Ja, ich weiß nicht, ich habe eine ganz wichtige Erfahrung mit diesem Imaginieren. Die habe ich noch aus dieser Zeit, wo ich sehr ernsthaft Malerei betrieben habe. Also wenn man das so in eine Schublade steckt, war das abstrakter Expressionismus, wo es sehr auch um das Beobachten geht, was findet statt auf der Leinwand und wie geht man damit um. Und ich kann mich an Tage erinnern, wo ich halt wirklich auch vor dem Bild gesessen habe und imaginiert habe. Ich habe halt wirklich vor Bildern gesessen und gekuckt, wie geht es weiter, was ist die Lösung sozusagen für so ein Bild. Und das waren immer sehr schöne Momente, wo ich dachte, jetzt habe ich die Lösung. Und ich habe mich unendlich, also geärgert ist nicht das richtige Wort, irgendwie hat es mich gewurmt, dass diese vermeintlichen Lösungen fast nie geklappt haben! Die haben nicht funktioniert. Imaginiert waren sie toll und ich war superglücklich, und sobald ich anfing, sie in die Tat umzusetzen, musste ich feststellen, ich habe es nicht gut genug imaginiert, bzw. ich habe halt zu selektiv wahrgenommen. Was weiß ich, du siehst ein Bild und du entscheidest, also oben muss das und das stattfinden, dann ist das Bild auf dem Punkt. Und du machst es, und du stellst fest, ja, funktioniert nicht, null!
   Worauf ich eigentlich hinaus will, ist, dass meine Erfahrung mit dem Imaginieren halt die ist, dass es fast nie wirklich klappt, bzw. Dass, sobald du diesen Schritt getan hast, du feststellst, dass jetzt was anderes nicht stimmt und du also weiter retten, ausgleichen musst.
Also diese Idee, die du ja hast, dass man was so perfekt imaginiert, dass man es gar nicht mehr machen muss, also das ja deine Angst auch ein Stück weit zu sein scheint, das glaube ich eigentlich nicht.


Ging es eigent-
lich ums Zeich-
nen?

D: Nein! Das ist ja überhaupt kein Widerspruch, sondern davon rede ich ja. Dass es ja auch sowieso nie stimmt. Sicher habe ich jetzt erst mal von dem Vordergründigen gesprochen, dass man so was soweit imaginiert, bis nichts mehr möglich ist oder alles möglich ist. Dann vervielfältigt sich das und dann hast du 25 (imaginierte) Bilder und wie ist dann noch etwas auszuführen? Du kannst eben nicht alle 25 ausführen. Sondern ich meine, dass die Kluft ja da immer drin ist. Und dass ich deshalb das Gefühl hatte, in diesem ganzen Raum, also zeichnerisch, dass du in dieser Ausstellung? Es gibt zwar Sachen an der Wand, aber dass du nicht gezeichnet hast. Da hast bestenfalls gedacht. Aber nicht gezeichnet.
H: Das Witzige ist doch, dass der Ausstellungstitel ?Der Zeichnungsgenerator" eigentlich eine komplette Irreführung war, weil es in der ganzen Ausstellung eigentlich am allerwenigsten um zeichnen ging! Und das ist eigentlich das Absurde an dem ganzen Teil. Irgendwie ist das schon fast charmant, oder? (lacht)
D: Aber ich finde, die ganze Ausstellung, für dich, war doch eigentlich nur, dich selbst zuzuordnen zu deinen Zeichnungen, zu deinem Selbstverständnis als Zeichner! Eine Suche in diesen Räumen.
H: Ich weiß nicht, eigentlich habe ich mich da als Rauminstallateur und als Bewältiger eines Parcours definiert, aber nicht als Zeichner. Also die Zeichnung war letztendlich sehr unwichtig. Ich meine, man musste die Zeichnung ja schon fast suchen. Eigentlich ging es immer um etwas anderes.
D: Ja, das fand ich ja auch sehr schön in dem kleinen Raum [1a], da waren die Zeichnungen so hochgehängt, dass sie eigentlich nicht zu sehen waren.


Die leere
Mitte

H: Also: im Mittelpunkt der Ausstellung stand, trotz des Titels "Der Zeichnungsgenerator", gerade nicht die Zeichnung... diese generierten Zeichnungen nach den Auftragstexten... die sind ja eigentlich ein ganz wunder Punkt: etwas, was mich unglücklich gemacht und auch nie wirklich funktioniert hat, die Idee sich nicht wirklich umsetzen, also leben, lies.
   Und in einem der Flasher waren auch einige Auftragszeichnungen, die ich gar nie rausgeschickt hatte. Nicht, weil ich die Zeichnungen nicht mochte, sondern weil es mir halt so gar nicht liegt, was zur Post zu tragen und abzuschicken! (lacht) Also allein daran scheitert schon der Zeichnungsgenerator.
   Ja. Die ganze Ausstellung, und deswegen hat die ja auch als Parcours so gut geklappt, war ja eigentlich eine Installationsausstellung. Wenn der Focus wirklich auf einzelne Arbeiten gelegen hätte, die einzelnen Arbeiten wären dem ja kontraproduktiv entgegengestanden. Und ich weiß nicht, ob du die "B to A and further"-Ausstellung gesehen hast? In der Blechhalle in Braunschweig? Die ja auch ein großer Parcours war, und ja sozusagen die teilnehmenden Künstler sich anschließend auch beschwert hatten, dass es also weniger um die Arbeit ging, als um diesen Gesamteindruck. Die eigentliche Arbeit war sozusagen die Gesamtinstallation.
   Und ein Stück weit ist das ja in Hannover auch passiert. Dass es eigentlich keine einzelne Arbeit gab, die so herausragend war, sondern es gab diesen Gesamteindruck. Und das war ja auch Ziel. Und was mir dazu einfällt, ist so ein Phänomen, wie es das im Manierismus gibt, was im Manierismus thematisiert worden ist, nämlich die ?leere Mitte". Es gibt manieristische Bilder, die ich z.T. dann auch kopiert und weiterverwendet habe, also die Grundkomposition habe ich sozusagen gesamplet.
   Es gibt z.B. eine Kreuzabnahme, von der erzähle ich gerne – vielleicht habe ich die dir auch schon mal erzählt? Ich glaube, der heißt Pontorno, der Maler. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ich vergesse den Namen immer. Und das Irrwitzige ist, dass das gesamte Bildzentrum leer ist. Das ist ein wunderbar komponiertes Bild und alle Aktion passiert am Rand! Und der eigentliche Bildmittelpunkt ist leer. Und alles bezieht sich aber auf diesen Mittelpunkt, und da ist einfach nichts. Und das ist halt beim Manierismus immer schlecht festzustellen, ob dass nun einfach nur ein großer Scherz ist –also die haben auch gerne so intellektuelle Scherze getrieben- oder ob das noch mal eine inhaltliche Aussage hat. Manierismus wird ja als die Thematisierung dieser ersten Glaubenskrise begriffen. Ich weiß nicht, in wieweit das stimmt, ob es früher nicht auch schon Glaubenskrisen gab. Auf jeden Fall: dieser Gottesverlust. Wo dann teilweise auch Errungenschaften sozusagen sinnentleert einfach nur noch als formale Geste durchdekliniert werden aus so einem gewissen Spaßbedürfnis.
Aber dieses Bild der leeren Mitte ist etwas, was mich sehr interessiert. Mein Hang zum Minimal, den ich ja auch habe, durchaus, hat damit zu tun. Wobei mich bei Minimal immer nervt, dass ich das Gefühl habe, die wollen eigentlich die Mitte darstellen. Und das sehr konzentriert, und pur und rein, während für mich eigentlich – deswegen halt auch eher so Vernetzungen, oder komplexere Systeme – die Mitte ist eigentlich nicht da, oder ist halt ein nicht negative Leere. Klingt jetzt vielleicht ein bißchen komisch.
   Aber deswegen gehe ich halt überhaupt nicht konform mit diesem Minimal-Kram. Weil das für mich genau das Gegenteil von dem ist. Und ich halte das für schrecklich naiv eigentlich, in meinen sehr schlichten Worten.
   Und das Heikle der Ausstellung in Hannover, um darauf zurückzukommen, ist halt wirklich, dass ich das nie so offen hätte sagen können damals.
D: Was?
H: Dass es eigentlich gar nicht ums Zeichnen ging. Also das habe ich mir damals weder in letzter Radikalität eingestanden, und es macht mich auch ein Stück weit unglücklich. Aber letztendlich geht es darum: nicht "die Mitte fühlt sich gut an" sondern "die nicht vorhandene Mitte fühlt sich gut an". (lacht) Ich weiß nicht. Also "Mitte" jetzt nicht im Sinne von Balance, sondern "Zentrum". Und das Zentrum ist leergeräumt. Und in dem Fall war das vermeintliche Zentrum das Zeichnen. Das ist auch wieder dieser Blick, der in das Zentrum geht, damit man knapp daneben wirklich was sieht. Also irgendwie ist das sehr unausgegoren?
   Hast du das Gefühl, ein bißchen zu begreifen, wovon ich rede?
D: Ja. Ich frage mich nur... Also ich habe jetzt ein bißchen Probleme, so für mich, mit diesem Satz, dass es nicht um Zeichnen geht in der Ausstellung. Ich würde halt eher sagen, dass da nicht gezeichnet wurde, z.B. sowas kann ich sagen.
H: Ja, es geht um Zeichnung, aber Zeichnung wird nicht gezeigt! (lacht)


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