Projekt Nr. 64
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Material:
- Ausstellung (Endzustand)
- Ausstellung im Wandel
- Poster
- Sound
- 3D-Modell
- Vorbereitungen und Entwürfe
- Universalien der Zeichensysteme
- Informationen zur Ausstellung
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Link:
www.kunstverein-tiergarten.de
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Universalienforschung für: Text Bild Exzess, Gruppenausstellung, Galerie Nord, Berlin 2019
Text Bild Exzess
Karen Scheper – Magali Desbazeille – Hannes Kater
Galerie Nord / Kunstverein Tiergarten
15.11.2019 - 11.01.2020
Turmstr. 75, 10551 Berlin
Informationen zur Ausstellung
Künstler*innen: Magali Desbazeille, Hannes Kater, Karen Scheper

Eröffnung: Fr 15. November, 19 Uhr

Begrüßung: Marie Graftieaux, Leiterin des Bureau des arts plastiques des Institut français Deutschland


Einführung: Veronika Witte
Performance: itinerant interlude #271 mit Sirje Viise, Stimme

Text aus dem Einladungsflyer:
Zwei zeichnerische Rauminstallationen und eine datenbasierte interaktive Installation reflektieren in Text Bild Exzess die vielschichtigen Verhältnisse zwischen Sprache, Schrift, Text und anderen zeichenhaften Codes in einer Gesellschaft, die schriftliche Texte zusehends durch Bilder ersetzt. Sie untersuchen und dekonstruieren die spezifischen Verbindungen, die Texte und Zeichen je nach Einsatzgebiet eingehen und miteinander unterhalten. Beispielhaft zeigen diese drei künstlerischen Positionen, wie die Arbeit mit Bild und Text wiederum neue Verhältnisse von Zeichen- und Bedeutungszusammenhängen herzustellen vermag, ohne dabei Grenzen zwischen Text, Sprache und Schrift oder ihren verschiedenen Ausprägungen definieren zu wollen.

Karen Scheper entwickelt ihre aus Zeichnungen, Schriftelementen und durch zeichnerische Aneignung verfremdeten Literaturadaptionen bestehenden Assemblagen in einem ebenso konzeptionellen wie sensuellen Arbeitsprozess. Sie untersucht den Werkstoff „Text“ im Hinblick auf Prozessualität und vereinnahmt im Verlauf dieses Verfahrens dafür handschriftlich Passagen oder komplette Kapitel aus Büchern, die in ausgiebigen Über- und Verzeichnungen einer radikalen Umdeutung und Intertextualisierung unterzogen werden.

In
Magali Desbazeilles künstlerischer Arbeit treffen Dokumentation, Fiktion und Performance auf neue Technologien und verspielt anmutende Displays. In ihren interaktiven Multimedia-Installationen verbergen sich Archive von verwertbaren digitalen Informationen und Codes. Die Künstlerin analysiert den Einfluss von digitalen Technologien auf Sprache und untersucht dafür, wie und wonach Menschen auf welchen Wegen im Netz recherchieren, welche Begriffe sie dafür verwenden und was die neuen Technologien für die Sprache bedeuten.

Der konzeptionelle Zeichner Hannes Kater setzt seine ideographischen Zeichen für die Erweiterung der Möglichkeiten von Zeichnung auf dem Papier und im Raum ein. Diese von ihm „Darsteller“ genannten Zeichen transportieren eine Vielzahl decodierbarer Informationen und eröffnen operative Möglichkeiten für die Entdeckung von bis dahin nicht gesehenen Sinnzusammenhängen. Katers semantischen Modellen nicht unähnliche Versuchsanordnungen von Zeichnungen und Objekten fragen nach der Verbindung von Zeichnen und Denken, mithin kognitiven Prozessen der „Datenverarbeitung“.

Aus dem Abstraktionsraum von Zeichen- und Buchstabenfolgen heraus entwickeln die Künstler_innen in der Galerie Nord begehbare Installationen mit exzessiven Verflechtungen von Bild und Text. In der räumlichen Verschachtelung vielfältiger Informationsebenen wird so „Lesbarkeit“ jenseits von Linearität rekonfiguriert.


Mit freundlicher Unterstützung der bezirklichen Förderfonds der Senatsverwaltung Kultur und Europa, der Hypo-Kulturstiftung und des Bureau des arts plastiques des Institut français Deutschland und Hammer Store- Fitnessgeräte für Zuhause GmbH
Das Projekt itinerant interludes wird unterstützt von inm – initiative neue musik Berlin e.V. und kuratiert von Laurie Schwartz.

Begleitende Veranstaltungen:
Kulturelle Bildung, Workshop, Mi 11.12. u. Fr 13.12.2019
Labor Hannes Kater, Aktion, 19.11.2019 - 10.01.2020, jeweils Di u. Fr, 14–18 Uhr
Text Bild Exzess, Künstler*innengespräch, Di 03.12.2019, 19 Uhr
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Auszug aus der Eröffnungsrede von Veronika Witte
Die Verwendung von Text und Schrift ist in der zeitgenössischen bildenden Kunst als etabliertes Repertoire inzwischen selbstverständlich - und ungeachtet seiner inzwischen langen Geschichte ein nach wie vor unendliches und faszinierendes Feld Warum und aufweiche Weise setzen Künstlerinnen in ihren Arbeiten Text, Sprache, Schrift ein? Wie werden durch diesen Einsatz mediale Räume transformiert und welche unterschiedlichen Arbeitsweisen gehen damit einher? Um diesen und weiteren Fragen auf den Grund zu gehen, nutzen die drei Künstlerinnen dieser Ausstellung Texte aus Literatur, Daten der Statistik und Bild-Zeichen. Die zeichnerischen Rauminstallationen von Hannes Kater und Karen Scheper und die datenbasierte interaktive Installation von Magali Desbazeille reflektieren in Text Bild Exzess die vielschichtigen Verhältnisse zwischen Sprache, Schrift, Text und anderen zeichenhaften Codes in einer Gesellschaft, die schriftliche Texte zusehends durch Bilder ersetzt.

Das exzessive informationsverarbeitende Moment spielt in allen drei Postionen eine wichtige Rolle, die sich in unterschiedlichster Weise äußert. Die Künstler* innen kritzeln, schwärzen, verdichten, dechiffrieren, recodieren, sezieren oder überschreiben den kognitiven Prozess des Lesens und der Sinnbildung. Sie zelebrieren das Schreiben von Textpassagen zur exzessiven zeichnerischen Handlung, sammeln und dechiffrieren codierte statistische Daten und machen sie lesbar; oder sie konstruieren semantische Bildanordnungen aus Zeichen, um unser Verständnis von Lesen auf den Kopf zu stellen.

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Karen Scheper untersucht in ihren Zeichnungen das Element „Text" im Hinblick auf seine Prozessualität und vereinnahmt im Verlauf dieses Verfahrens dafür Passagen oder komplette Kapitel aus Büchern, die sie in ausgiebigen Über- und Verzeichnungen einer radikalen Umdeutung unterzieht. Mit einer sowohl konzeptuellen wie auch spontanen, gestischen Arbeitsweise generiert sie ausgehend vom geschriebenen Wort abstrakte Welten, die zwar einem gefundenen Ursprungstext entspringen, sich aber von diesem Hosen und sich - zum Teil als Zeichenkörper im Raum ausbreiten. In ihrer großen dreiteiligen Arbeit „Black Matters" vereinnahmen Schepers Zeichenstifte Teile des 2005 erschienenen Science-Fiction-Romans „Accelerando" von Charles Stross. Teile des Texts sind zeichnerisch auf einem Triptychon aus Papierbahnen gespeichert, die in dieser Installation wie Parabeln die Horizontalen und Vertikalen des realen Raumes miteinander verbinden. Zwischen diesen Koordinaten entwickeln sich rhizomatische Zeichengefüge, die den Text erweitem, molekularisieren und in andere Aggregatzustände überführen. In der exzessiven zeichnerischen Umordnung des Originaltextes entstehen zeichnerische Visionen einer Welt, in der sich nicht nur die herkömmlichen bekannten Raumvorstellungen in rasender Geschwindigkeit auflösen, sondern auch der materielle Körper immer weiter verschwindet und das menschliche Bewusstsein eine Entität mit einem datenverarbeitenden Chip eingehen kann. Schepers Zeichnungen ziehen uns in einen Strudel geschwärzter Raumgespinste, in denen es um Verlust von Gewissheiten, von bekannten Weltzusammenhängen, Gesellschaftenen und vom leiblichen Körper geht. m der mehrteiligen Arbeit „Martian Time Slip" treibt Scheper ein Kapitel des gleichnamigen Romans von Philip K. Dick durch schwarze Wortschichtungen, gekrümmte fädrige Raumgitter und giftige gelbe Schlieren, die von Schizophrenie, Tod, Auflösung und Transformation erzählen.

Der phantastische Raum der Literatur, des geschriebenen Texts mutiert bei Scheper zu einem eigenständigen lebendigen Organismus aus Zeichnung, Schreiben und Denken. Eine hybride Gestalt, die uns einsaugt und hinauskatapultiert, wenn wir ihrer Essenz zu früh und zu unvermittelt zu nahe kommen.

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In Magali Desbazeilles künstlerischer Arbeit treffen Statistik, Daten, Sprache, neue Technologien und verspielt anmutende analoge Displays aufeinander, m ihren interaktiven Multimedia-Installationen, Performances und Kunst am Bau-Projekten verbergen sich digitale Archive aus historischen Daten, Statements, ümfrageergebnissen, Codes und Algorithmen. Bei vielen, aktuellen Multimedia-Werken tritt die Faszination am Spiel mit Algorithmen in den Vordergrund . Desbazeilles konzentriert sich jedoch auf die anthropologische und geopolitische Dimension von Datensätzen. Sie entwickelt mehrdeutige, beinah parodistische Szenarien, die auf Visualisierungen soziologischer Untersuchungen basieren. Diese stehen zwar im Netz als Open Data jedem zur Verfügung, sind aber für den normalen User nicht lesbar. Seit dem 20. März 2012 ruft die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Internationalen Tag des Glücks aus und veröffentlicht ihren "Worid Happiness Report". Ein 2015 in Frankreich verabschiedetes Gesetz befürwortet die Quantifizierung von Glücksindikatoren. Für wen ist dieses Wissen? Wem nutzt diese Anhäufung von Daten und Texten? Wer profitiert davon? Mit Hilfe von Computerspezialisten macht Desbazeille die Ergebnisse von Untersuchungen diverser politischer Einrichtungen für uns lesbar und führt sie in spielerischer Form ad absurdum.

In der Arbeit „L' annee mondiale" treffen gesprochene und digitale Archive mehrerer Umfragen der UNO und anderer europäischer politischer Institutionen über das „Glück als politischen und wirtschaftlichen Faktor" auf die Ästhethik der Bricolage. In ihrer Attrappe einer Musterwohnung mit Laptops, Büchern und Bilderrahmen sprechen z.b Christine Lagarde über die Glückskommision und Andre Malraux über das naturgegebe Talent der Frauen für das Glück. Desbazeilles analysiert den Einfluss von digitalen Technologien auf Sprache und untersucht, wie und wonach Menschen aufweichen Wegen im Netz recherchieren, welche Begriffe, welche Sprache sie dafür verwenden und wie sie Sprache in neuen technischen Kommunkationstechnolgien einsetzen. Sie befragt damit auch die unterschwellige Uniformierung und Standartisierung von Sprachen unterschiedlicher Kulturen, deren Identität eben auch durch Sprache und Schrift gebildet werden.

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Diese Standartisierung und Unfomierung unterläuft der Künstler Hannes Kater in seiner künstlerischen Praxis. Anstatt des linearen lateinischen Alphabetes wo die Ansammlung von Buchstaben ein Wort einen und damit evtl. einen Sinnzusammenhang herstellen, nutzt der konzeptionelle Zeichner ideographischen Zeichen für die Erweiterung von Kommunikation. Er arbeitet mit der Eigenschaft von Zeichen, die dazu dienen, Begriffe, komplexe Inhalte, Gefühle oder gar Erinnerungen wiederzugeben; ohne, dass sie dies in der Art von Piktogrammen tun und ohne ,dass ihnen ein bestimmtes Wort/ eine bestimmte Lautkette entspricht.

Er nennt diese Bildzeichen Darsteller-Autonome Objekte in Styropor geschnitten, die meist nur aus 2- 4 Farben bestehen und die einem strengen Gestaltungsmuster unterliegen. Angeordnet sind sie als Lexikon auf Regalen und werden von linguistisch anmutenden Beschreibungen begleitet. "Datenverarbeitung" - und nicht Signal Übertragung und Signalspeicherung - bilden für Hannes Kater den Kem der kognitiven Prozesse. Kann man Denken zeichnen? Kann man zeichnend denken? Welche Prozesse finden wie und wo statt, wenn man denkt, schreibt, zeichnet?

Katers rätselhafte und barock anmutende in den Raum hineinwachsenden Versuchsanordnungen fragen nach der Verbindung von Zeichnen und Denken als kognitiven Prozessen der „Datenverarbeitung" und sind semantischen Modellen nicht unähnlich. Die von ihm „Darsteller" genannten Zeichen wie Gesichter, Gebäude, Gefäße, Pfeile und Linien transportieren eine Vielzahl decodierbarer Informationen und eröffnen operative Möglichkeiten für die Entdeckung von bis dahin nicht gesehenen Sinnzusammenhängen. In dieser räumlichen Zeichnung entfaltet sich ein unendliches Gefuge von szenischen Momenten.


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Diese Szenarien sind polyzentrisch angelegte und schichtartig verknüpfte Systeme von Bildtheatem für ein Weltverständnis, das der Künstler selbst immer wieder aufs Neue hinterfragt und neu ordnen muss. Ein exzessives szenisches System im Prozess, ein Organismus, der sich durch fortlaufende dramaturgische Konstellationen aus Licht, Zeichen und Systematik auch in den kommenden Wochen der Ausstellung an jedem Dienstag und Freitag weiterentwickelt.

Aus dem Abstraktionsräumen von Zeichen- und Buchstabenfolgen und Daten haben die drei Künstlerinnen mit ihren sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen physisch erfahrbare Welten und Reflexionsräume aus kontrollierten exzessiven Verflechtungen und Wucherungen von Bild und Text entwickelt. An diesen Schnittstellen sind inspizierende künstlerische Vergegenwärtigungen intellektueller Reflexion und freier künstlerischer Invention entstanden und sie ermöglichen uns in der Verschachtlung vielfältiger Informationsebenen „Lesbarkeit" jenseits von Linearität zu rekonfigurieren.
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